Von wegen immer nur Stamperl! Obstbrände können Cocktails geschmacklich auf ganz neue Ebenen bringen.

Von wegen immer nur Stamperl! Obstbrände können Cocktails geschmacklich auf ganz neue Ebenen bringen.
© Leo Suhm

Gib her die Kirsche! Die Rolle des Obstbrands zwischen Stamperl und Shaker

Aromatisch sind sie eine Pracht, aber dennoch tun sich Obstbrände noch immer schwer, neue Fans zu finden. Ein Blick auf ihren Spagat zwischen klassischem Digestif und dem modernen Einsatz an der Bar.

Egal ob aus dem Stamperl oder dem edlen Nosingglas – Schnaps als Dessert oder Essensabschuss gehört in vielen Regionen noch immer zum festen Kulturgut. »Im Gasthaus oder auch auf Familienfeiern gehört das einfach dazu«, weiß auch Sven Goller, Barchef aus dem »Schwarzen Schaf« in Bamberg. Das liege in seiner fränkischen Heimat auch daran, dass dort viele noch selbst brennen oder ihr Obst regelmäßig brennen lassen. Der Bar-Profi, der jüngst von Falstaff zum »Bartender des Jahres« gekürt wurde, schätzt Obstbrände aber nicht nur klassisch als Kurzen nach dem Essen, sondern setzt sie auch gezielt an der Bar ein.

© Anja Kastner

Zwar sind Obstbrände im Vergleich zu klassischen Mix-Spirituosen recht preisintensiv, doch die aromatischen Vorteile überwiegen für Sven Goller ganz klar. In seinen Drinks setzt er daher regelmäßig auf Obstbrände, nutzt diese aber nie singulär.

»Wir nutzen sie als Zusatzspirituose, da sie sehr viel Kraft und Aroma mitbringen. Besonders gut eignen sich hierfür Kirsch- oder Quittenbrände sowie Williams. Ein Mezcal passt beispielsweise super zu Williamsbirne. Und Kirschbrand macht eigentlich fast alles besser!« Obstbrände sind also ein probates Mittel, um Drinks um eine fruchtige Dimension zu erweitern, sei es als »Split Base-Spirituose«, wie sie bei Sven Goller eingesetzt werden, oder als alleinige Basis für Drinks. Alles kann, nichts muss. Das gilt im Übrigen auch für fränkische Destillate jenseits der klassischen Obstbrande, denn die Region ist auch bekannt für ihren Getreideanbau – und damit ist der Weg zu fränkischem Whisky nicht weit.

Mit seiner Passion für Obstdestillate steht Sven Goller aber nicht alleine da. Auch Aaron Traxler, Barchef des »Posthotel Alexander Herrmann» in Wirsberg in der Nähe von Bayreuth weiß um die Vorzüge der fruchtigen Aromaspender. Im Interview mit Falstaff spricht er über den Status Quo regionaler Obstbrände, ihre Chancen an der Bar und aktuelle Trends.

Falstaff: Wie werden Obstbrände momentan wahrgenommen?
Aaron Traxler:
Obstbrände haben in Franken eine große Tradition und wir haben unglaublich viele kleine Brennereien. Aber dennoch werden sie noch immer ein wenig unterschätzt, vor allem, wenn man sich die Entwicklung der letzten Jahre anschaut. Hier wird sehr kreativ und innovativ gearbeitet, viel mit Fasslagerung experimentiert. Und neben Obstbränden finden wir auch immer mehr Whiskys oder Rums. Daher kann man auch an der Bar vielfältige Einsatzmöglichkeiten finden und das Thema Regionalität schön inszenieren.

Wie setzt ihr Obstdestillate an der Bar ein?
Wir arbeiten an unserer Bar tatsächlich fast ausschließlich mit fränkischen und bayrischen Destillaten und sind sehr regional geprägt. Wir haben alles, was wir brauchen, direkt vor der Haustür. Wir benutzen beispielsweise keine Agavenspirituosen, die ersetzen wir durch Topinambur-Brände. Die bringen eine ähnlich erdig-seifige Note mit, wie es manche Tequilas auch tun. Und bei Whiskys haben wir hier unzählige regionale Alternativen. Da in Franken auch viel Wein angebaut wird, arbeiten viele Brenner zudem mit Winzern zusammen und greifen auf alte Weinfässer zurück. Das ist extrem spannend.

Wie steht es bei Obstbrand um die Rolle des klassischen Digestifs?
Das ist bei uns noch immer sehr wichtig, zumal wir das bei uns auch gezielt anbieten. Das ist eine fränkische Tradition, die gehört zu uns und deshalb zelebrieren wir sie auch ein Stückweit. Wir arbeiten hier zudem viel mit Raritäten von regionalen Brennern, die wir selbst nochmal in eigenen Fässern veredeln.

Hat sich im Trinkverhalten der Gäste etwas verändert?
Wir halten es bei unserem Sortiment eher klassisch, aber bei den Brennern sieht man schon, dass sie vermehrt auf neue Wünsche der Konsumenten eingehen. Besonders beliebt sind hier aktuell zitruslastige Destillate wie Orangengeiste oder Zitronenliköre.

Samurai Sour

© Sebastian Metzdorf
  • 20 g Lemon Curd
  • 3 cl Frischer Yuzu Saft
  • 6 cl Texas Longhorn Ranch Distillery Pure Corn 4 Jährig
  • 2 cl Holunderblütensirup
  • Eiweißpulver oder Veganer Foarmer

Zubereitung:
Alle Zutaten auf Eis shaken. In Shakerbecher strainen und erneut für ca. 20 Sekunden mit einer Feder shaken. Ins Glas seihen.

Freestyler

© Lara Müller
  • 3cl Gin (z.B. Kyrö)
  • 1cl Kirschbrand
  • 5cl Hagebuttentee
  • 1cl Agavendicksaft
  • 3 Dash Zitronenverbene
  • 2cl Rote Johannisbeersaft
  • Eiweiß oder vegane Alternative

Zubereitung:
Alle Zutaten für 15 Sekunden auf viel Eis kalt shaken und ohne Eis in einen Tin absieben. Mit Hilfe eines Milchaufschäumers eine Schaumkrone aufschlagen und den Cocktail in eine Coupette gießen.


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Alexander Thürer
Alexander Thürer
Autor
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