Blick auf den wunderschönen Zürichsee. Auch hier interessieren sich immer mehr Winzer für nachhaltige PIWI-Sorten.

Blick auf den wunderschönen Zürichsee. Auch hier interessieren sich immer mehr Winzer für nachhaltige PIWI-Sorten.
© Weingut Diederik

Weinbau in Zürich: Die neuen Sorten kommen

Neue, robuste Rebsorten können Pflanzenschutzmassnahmen auf ein Minimum reduzieren und machen den Weinbau nachhaltiger. Kultiviert werden sie auch rund um Zürich, wo ihre Anbaufläche stetig steigt.

Wein ist ein Naturprodukt, heisst es immer wieder. Diese Aussage mag romantisch klingen, hat mit der Realität aber wenig gemein, denn ohne das Einwirken von uns Menschen gäbe es schlichtweg keinen Wein. Wir pflegen und hegen die Rebstöcke, damit sie uns möglichst viele Trauben schenken. Und im Keller tun wir alles, damit wir am Ende Wein geniessen können und dieser nicht zu Essig wird, wie es die Natur eigentlich vorgesehen hat. Besonders augenscheinlich wird das Einwirken des Menschen im Sommer, wenn die Winzer spritzen gehen, um die Reben vor allem vor dem Echten und Falschen Mehltau zu schützen. Zwei Pilzkrankheiten, die ganze Weinernten vernichten können und gegen die nur Pflanzenschutz hilft, egal, ob biologisch oder konventionell.

Seit ein paar Jahren treten jedoch robuste Rebsorten in den Fokus, bei deren Anbau die Pflanzenschutzmassnahmen um bis zu 80 Prozent reduziert werden können – ein grosser Vorteil für Umwelt und Mensch. Die sogenannten pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, kurz PIWI, sind durch Züchtung weitestgehend genetisch gegen die genannten Pilzkrankheiten abgesichert. Ganz im Gegenteil zu den natürlich entstandenen Europäersorten, zu denen im Grunde alle weitläufig bekannten Rebsorten gehören. Im Kanton Zürich hat die PIWI-Rebfläche vor allem in den letzten zehn Jahren zugenommen. Im Jahr 2021 waren von den insgesamt 606 Hektar Rebfläche im Kanton 69 mit PIWI-­Sorten bestockt – Tendenz steigend.

Neu und nachhaltig

Bei Dreistand in Wädenswil machen die robusten Sorten heute bereits rund 30 Prozent der gesamten Rebfläche aus. Ein äusserst hoher Anteil, der darauf zurückzuführen ist, dass der Betrieb mit den Sorten forscht, denn Dreistand ist das Weingut des Weinbauzentrums Wädenswil, des Deutschschweizer Kompetenzzentrums für Rebe und Wein. «Das Spannende an den PIWI-Sorten ist, dass sie noch relativ jung sind und ein grosses Lernfeld bieten», berichtet Lorenz Kern, Leiter Weinbau von Dreistand. Ein Umstand, der gerne vergessen geht. Sorten wie Souvignier Gris oder Divico, die zu den vielversprechendsten Neuzüchtungen gehören, existieren erst seit 41 beziehungsweise 27 Jahren. Das ist im Vergleich zu natürlich entstandenen Europäersorten wie Pinot Noir und Räuschling, die seit zig Jahrhunderten kultiviert und vinifiziert werden, eine äusserst kurze Zeit. Dementsprechend ausbaufähig ist auch das Know-how der Produzenten hinsichtlich An- und Ausbau der neuen Sorten, ebenso wie die Trinkerfahrungen der Weinliebhaberinnen und Weinliebhaber.

Das Spannende an den PIWI-Sorten ist, dass sie noch relativ jung sind und ein grosses Lernfeld bieten.
Lorenz Kern, Leiter Weinbau bei Dreistand

PIWI-Weine können nämlich durchaus verblüffen. Besonders solche aus roten PIWI-Sorten, die trotz tiefdunkler Farbe und Namen wie Cabernet Jura in der Regel keinesfalls schwer und kantig, sondern äusserst zugänglich und trinkig sind. «Wenn die Sorten als eigenständige Sorten begriffen und nicht mehr verglichen werden, könnte es, was die Anbaufläche angeht, einen grossen Sprung nach vorne geben», ist sich Fabio Montalbano, Kellermeister von Dreistand, sicher. Erfahrungen mit PIWI-Weinen hat der erfahrene Kellermeister, der seit Februar für Dreistand tätig ist, bereits bei der Staatskellerei Zürich gesammelt.

Dort werden nämlich mit dem roten Lunaris, einer Assemblage aus Monarch und Cabernet Jura, und dem weissen Solaris zwei der bekanntesten Weine des gesamten Kantons aus robusten Sorten gekeltert. Die Reben für beide Weine gedeihen am Rhein, in unmittelbarer Nähe zur Kellerei selbst, die sich auf der ehemaligen Klosterinsel Rheinau befindet, und werden biodynamisch bewirtschaftet. «Besonders Solaris ist eine wunderbare Sorte, die gute Resistenzeigenschaften mitbringt und auch beim Konsumenten gut ankommt», berichtet Jan Amann, der aktuelle Kellermeister der Staatskellerei Zürich.

Diederik Michel vom Weingut Diederik in Küsnacht wiederum hat es eine ganz andere PIWI-Sorte angetan. Im Jahr 2020 arbeitete er erstmals mit der Sorte Souvignier Gris, mit der er im Rebberg wie im Keller äusserst zufrieden ist. «Unsere Souvignier-Gris-Reben müssen wir bedeutend weniger spritzen als die klassischen Sorten. Das macht nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch und sozial Sinn», erläutert Michel. Selbst 2021, als Echter und Falscher Mehltau hierzulande wüteten und stellenweise zu kompletten Ernteausfällen führten, konnte Michel 90 Prozent seiner Souvignier-Gris-Trauben ernten. «Bei den klassischen Sorten war das keinesfalls so», erinnert er sich. Ertragssicherheit in einem extremen Jahr wie diesem ist vermutlich eines der besten Argumente für die robusten Sorten überhaupt.


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Dominik Vombach
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